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Blick auf die Bernkasteler Badstube

Blick auf die Bernkasteler Badstube · Bild: Pixabay

Region Badstube?

Großlagen-Absurditäten im neuen Weingesetz

Mit seinem neuen, Ende 2021 verabschiedeten Weingesetz nähert sich Deutschland dem romanischen Modell an. Dem nicht unumstrittenen Leitsatz „Je enger die Herkunft, desto höher das Qualitätsversprechen“ folgend, orientiert sich das nach einer Übergangsfrist 2026 in Kraft tretende Recht verstärkt an der geografischen Herkunft. Einen kritischen Blick verdient dabei vor allem die Neuregelung der Großlagen, denn hier hat der Gesetzgeber einen kapitalen Bock geschossen. Ein Kommentar.

Die Großlagen waren und sind ein Ärgernis. Sie tarnen sich als Einzellagen und täuschen damit vor, etwas zu sein, was sie nicht. Tatsächlich erstrecken sich Großlagen in der Regel über mehrere Ortschaften. So müssen die Trauben für einen Piesporter Michelsberg nicht nur aus Piesport, sondern können auch aus Rivenich, Neumagen-Dhron oder Trittenheim stammen. Völlig zu Recht haftet den Großlagen das Etikett der Verbrauchertäuschung an. Zu einer Abschaffung haben sich die Flickschuster des neuen Weinrechts aber nicht durchringen können. Stattdessen kam es zu einem faulen Kompromiss, und das Großlagenunwesen feiert weiterhin fröhliche Urständ. Erkennbar sollen Großlagen künftig an dem ihnen vorangestellten Wort „Region“ sein. Zumindest prinzipiell, denn die im Gesetz geforderte Mindestschriftgröße für den Wortzusatz auf dem Flaschenetikett beträgt gerade einmal 1,2 Millimeter. Der Piesporter Michelsberg wird damit zur Region Michelsberg. Was auf den ersten Blick zumindest noch gut gemeint scheint, weil nun klar zwischen Einzel- und Großlagen unterschieden wird, hat in der Praxis jedoch geradezu absurde Auswirkungen.

Ganz offensichtlich hat sich im zuständigen Bundesministerium niemand im Vorfeld ernsthaft mit den realen Gegebenheiten auseinandergesetzt. Großlagen, die mehrere Orte umspannen, mögen zwar die Regel sein. Es gibt jedoch Ausnahmen, und gerade diese verdienen eine nähere Betrachtung.

In der Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre hinein war der Kröver Nacktarsch ein Synonym für billigen und süßen Massenwein. Zahlreiche Fälschungen brachten den Nacktarsch in Verruf. Das damals erworbene schlechte Image wirkt bis heute nach. Seit etwa 20 Jahren sind die Kröver Winzer bestrebt, den ramponierten Ruf ihrer Großlage wieder aufzupolieren. Diese Bemühungen erfahren nun einen empfindlichen Rückschlag. Weine aus dem Kröver Nacktarsch müssen demnächst unter der Bezeichnung Region Nacktarsch vermarktet werden. Für die Kröver unverständlich. Denn der Nacktarsch, der zu 95 Prozent beste Steillagen umfasst, liegt komplett innerhalb der Ortsgrenzen von Kröv und ist deswegen gar keine Region. Der pragmatischen Idee, Kröv als Wortbestandteil in den Großlagennamen aufzunehmen und damit zumindest die Bezeichnung Region Kröver Nacktarsch zu ermöglichen, steht die involvierte Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ablehnend gegenüber. Denn der Vorschlag, so heißt es dort lapidar, diene ausschließlich der Umgehung geltenden Rechts.

Ähnlich stellt sich die Situation in der Stadt Zell und ihren Ortsteilen Merl und Kaimt dar, deren Einzellagen die Zeller Schwarze Katz bilden. Auch hier suchen die Winzer nach einer Lösung. Die Zeller Schwarze Katz einfach zu einer Einzellage zu machen, wirft jedoch erhebliche rechtliche Fragen auf. So ist unklar, ob eine Einzellage neben anderen bereits eingetragenen Einzellagen bestehen kann. Daher favorisiert die Stadt Zell ebenfalls eine Lösung nach dem Kröver Modell und hat im Januar entsprechende Beschlüsse gefasst. Über den Antrag soll schließlich das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau des Landes Rheinland-Pfalz entscheiden.

Neben der wirtschaftlichen darf auch die kulturhistorische Bedeutung der Zeller Schwarze Katz nicht übersehen werden. Denn der Name Schwarze Katz wurde 1971 mit der Einführung der Großlagen nicht einfach nur erdacht. Er bezieht sich auf die Geschichte eines Weinbergs, der im 19. Jahrhundert Bekanntheit erlangte. Als im Jahr 1863 Weinhändler nach Zell kamen und sich nach einer Weinprobe im Weingut Mayntzer nicht einigen konnten, welches von drei Fässern das beste sei, sprang plötzlich die schwarze Katze des Winzers auf eines der Fässer und fauchte jeden an, der sich diesem Fass näherte. Die Weinhändler entschieden sich für das von der Katze bewachte Fass. Der Wein verkaufte sich so gut, dass die Händler nach einiger Zeit wiederkamen und alle Weine aus demselben Weinberg, der fortan Zeller Schwarze Katz genannt wurde, aufkauften. Mit dem Weingesetz von 1971 bekam die Großlage den Namen der ehemals kleineren Einzellage. Im Herzen der Zeller Altstadt erinnert der Zeller-Schwarze-Katz-Brunnen an die Geschichte. Ein Regionalwein anstelle eines Ortsweines würde dem historischen Kontext nicht gerecht werden.

Auf die Spitze treibt es die neue Verordnung mit der renommierten Bernkasteler Badstube. Obwohl weinrechtlich eine Großlage, kann sie schon allein aufgrund des Umstands, dass sie gerade einmal 68 Hektar (davon 50,3 Hektar unter Ertrag) misst, kaum mit einer solchen mithalten. Sie ist tatsächlich kleiner als so manche Einzellage (vgl. Würzburger Stein 85 Hektar, Ruppertsberger Reiterpfad 77 Hektar) und besteht aus den Bernkasteler Miniatur-Einzellagen Lay, Matheisbildchen, Bratenhöfchen, Graben, Doctor und Alte Badstube am Doctorberg. Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter klassifiziert sie als Große Lage und stellt sie damit den besten Einzellagen der Mosel wie der Wehlener Sonnenuhr oder dem Ürziger Würzgarten gleich. Die Badstube nun zu einer Region auf- beziehungsweise abzuwerten, kann nur als grotesk bezeichnet werden.

Die Bernkasteler Winzer haben sich zu einer Initiative zusammengeschlossen. Sie wollen die Badstube als Einzellage erhalten und schlagen vor, die bisherigen Einzellagen Matheisbildchen und Bratenhöfen unter dem Namen Badstube zusammenzulegen. Doch dieser Vorschlag ist noch nicht in Stein gemeißelt. So könnte in die laufende Diskussion noch Bewegung kommen, etwa im Hinblick auf den Graben oder das zum Waldrand hin an die Badstube angrenzende und zur Großlage Kurfürstlay gehörende Johannisbrünnchen. Hans-Hermann Kocks, Ehemann von Sofia Thanisch, der Inhaberin des Weinguts Wwe. Dr. Thanisch – Erben Thanisch, ist Sprecher der Winzerinitiative und hofft, aller verwaltungsrechtlichen Hürden zum Trotz, auf eine vernünftige Lösung für die Badstube noch vor dem Ende der gesetzlichen Übergangsfrist.

Bezeichnend ist, dass selbst die zuständige Schutzgemeinschaft, der Weinbauverband der Mosel, nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden war. Deren Geschäftsführer Dr. Maximilian Hendgen stellt hierzu fest: „Die Schutzgemeinschaften sind zwar für die weitere Ausgestaltung [...] verantwortlich, haben jedoch keine Möglichkeit, auf die Weinverordnung Einfluss zu nehmen.“ Auf gut Deutsch: Die Weinbaugebiete müssen die Suppe auslöffeln, die ihnen die Bürokraten im entfernten Berlin einbrocken.

Härtefälle gibt es indes nicht nur an der Mosel. Im rheinhessischen Nierstein ist die Großlage Rehbach mit nur 65 Hektar sogar noch kleiner als die Badstube. Mit dem Brudersberg, dem Pettenthal, dem Hipping und seiner Enklave, der Goldenen Luft, bildet er ein wahres Filetstück bester Einzellagen. Auch hier wäre es völlig grotesk, zukünftig von einer Region zu sprechen. Allerdings ist die Großlage in der Vermarktung kaum noch von Bedeutung. Louis Konstantin Guntrum vom gleichnamigen Weingut führt zwar noch eine fruchtsüße Spätlese, die als Lagen-Cuvée aus dem Hipping und dem Pettenthal unter dem Namen Rehbach in den Verkauf kommt. Allerdings sieht Guntrum genügend Spielräume, um auf den Gesetzesirrsinn zu reagieren. Eine Region Rehbach wird es bei ihm daher nicht geben.

Im Bundesministerium zeigt man sich resistent gegenüber den berechtigten Anliegen der Betroffenen. Unsere Anfrage beantwortete Referatsleiter Dr. Michael Koehler mit gewohnten Verwaltungs-Stereotypen. Es habe einen langen Abstimmungsprozess mit Ländern und Verbänden gegeben, das neue Gesetz sorge für mehr Transparenz beim Verbraucher, und die Winzer hätten „mit den vorgesehenen Übergangsfristen [...] ausreichend Zeit, sich auf die geänderte Situation einzustellen.“

Unsere Meinung: Wünschenswert wäre aus unserer Sicht die konsequente Abschaffung der ortsübergreifenden Großlagen gewesen. Gleichzeitig hätte das Weinrecht refomiert werden müssen, um Ortslagen unabhängig von bestehenden Einzellagen ausweisen zu können. Gerade in den romanischen Ländern, an denen sich das neue Gesetz so unterwürfig anlehnt, ist es gang und gäbe, dass größere Appellationen kleinere enthalten können. Analog hierzu könnten die Bernkasteler Badstube, der Kröver Nacktarsch und die Zeller Schwarze Katz in ihrer bestehenden Form erhalten bleiben, ohne dem Anachronismus der Großlagen das Wort zu reden.